Der Kulturhof Hinter Musegg feiert diesen Frühling das zehnjährige Bestehen. Auf der Oase hinter der Museggmauer wird Nachhaltigkeit praktisch erlebt. Rund 1000 Schulkinder ziehen jedes Jahr die Stiefel an, um auf dem Bauernhof zu misten und zu mosten. Neu gibt es Nachhaltigkeits-Workshops für Erwachsene.

«Der Kulturhof ist ein Paradies», sagt Irene Wespi (links im Bild). «Hier ist ein Ort, wo Kinder die Natur auf ihre Art erleben und entdecken können.» Zusammen mit Pia Fassbind (rechts im Bild) leitet sie den Kulturhof Hinter Musegg. Der Bauernhof, nur zwei Hektaren gross, bekommt keine Landwirtschaftssubventionen.

Aber mit seiner ökologischen Ausrichtung und dem Lehrpfad leistet er viel für einen naturnahen Lebensraum und die Biodiversität – zum Beispiel mit den 63 Hochstammbäumen. Dazu passt, dass in der nahegelegenen Museggmauer die Turmdohlen, Alpensegler und Gänsesäger nisten und brüten.

Hier leben der Gockel Ueli und die Appenzeller Spitzhaubenhühner, Zwergziegen, Minischweine, zwei Alpakas und vier Hochlandrinder. «Es ist ein kulturelles Erbe, das wir weiterführen. Die Tiere, der Misthaufen, der Bauer – hier ist alles echt», sagt Pia Fassbind (54).

Den schönen Flecken für alle öffnen

Seit 400 Jahren wird das Land hinter der Musegg kultiviert. Vor gut zwanzig Jahren übernahmen Pia und Walter Fassbind den kleinen Landwirtschaftsbetrieb im Nebenerwerb. «Doch wurde uns schnell bewusst, dass wir diesen schönen Flecken für alle öffnen möchten», sagt Pia Fassbind.

Im Alleingang war das nicht zu schaffen. So gründeten sie am 14. März 2013 die Stiftung Kultur- und Lebensraum Musegg, «zum Schutz und zur Pflege des kulturellen Erbes, der natürlichen Umwelt und der heimischen Tierwelt an der Musegg».

Die Stadt Luzern trat die Liegenschaft im Baurecht für sechzig Jahre an die neue Trägerschaft ab. Das Investitionsvolumen belief sich auf 3,4 Millionen Franken, gut die Hälfte mussten sie über Spenden aufbringen. «Es war eine intensive Zeit, die uns viel abverlangt hat», sagt Pia Fassbind, «manchmal hatten wir schlaflose Nächte.» Doch die Oase kam zum Blühen. 2015 öffnete die Hofbeiz, 2017 die Heubühne, 2020 der Hofladen.

Inzwischen arbeiten im Sommer 35 Personen auf dem Kulturhof, die sich 800 Stellenprozente teilen, vorwiegend für die Gastronomie. Zudem helfen unzählige Freiwillige in Feld und Stall, in Beiz und Hofladen.

Rund tausend Kinder zu Besuch auf dem Kulturhof

«Auf dem Kulturhof lernen die Schulkinder im Einklang mit der Natur zu leben», sagt Irene Wespi, die ehemalige Lehrerin. Sie ziehen sich die Stiefel an, misten und mosten, sind auf dem Lehrpfad im Garten oder auf dem Feld. Unter anderem können die Schulen einen Jahreskurs buchen, bei dem sie die Natur im Verlauf der vier Jahreszeiten erfahren.

13 Klassen haben 2022 dieses abwechslungsreiche Angebot genutzt. Insgesamt fanden rund 90 Veranstaltungen für Schulklassen und Kindergruppen statt. «Wir hatten etwa 1000 Kinder zu Besuch, die begeistert mitmachten», sagt Irene Wespi. «Ein Schulkind sagte mir, das sei der schönste Tag in seinem Leben gewesen.» Zudem wurden zirka 40 Führungen und Olympische Kulturhof Spiele für Erwachsene gebucht.

Dieses Jahr finden erstmals SDGWorkshops auch für Erwachsene statt, die ökologisch inspirierte Unternehmen ihren Angestellten offerieren können (SDG steht für Sustainable Development Goals, also Nachhaltige Entwicklungsziele). Das Seminar ist keine reine Wissensvermittlung, es soll eine reizvolle Versuchung sein, sich mit der Nachhaltigen Entwicklung anzufreunden. Was das im Alltag bedeutet, ist im eigenen Hofladen (mit Lebensmitteln aus regionalen Kleinbetrieben) oder in der Hofbeiz (biologische und saisonale Küche ohne Foodwaste) sinnlich zu erfahren. Hofladen und Hofbeiz sind neuerdings auch im Winter geöffnet.

Die Heubühne lebt

Die Fokussierung auf Bildung und Nachhaltige Entwicklung ist keine Absage an die Kultur. Zum zehnjährigen Jubiläum wird ab März 2023 auf dem Kulturhof einmal im Monat ein Kulturprogramm angeboten. Und vom 28. Juni bis zum 2. Juli 2023 findet erneut das Sommerfestival statt, ein Kultur- und Quartierfest vor imposanter Kulisse.

Zur Website des Kulturhofs Hintermusegg

Dieses Interview erschien in der Museggmauer Zytig. Sie erscheint jährlich und wird in gedruckter Form den Mitgliedern verteilt. Sie kann auch online nachgelesen werden: