Für die Stadtplanerin Deborah Arnold ist die Museggmauer in Luzern nicht wegzudenken. «Sie ist ein starkes Stück Geschichte und gehört unbedingt zur Identität der Stadt.» Der Blick auf Stadt, See und Berge sei einmalig.
Du bist in Gunzwil aufgewachsen. Hast du die
Museggmauer schon damals besucht?
Ja. Gemeinsam mit meinen Eltern und Geschwistern haben wir doch das eine oder andere Mal einen Ausflug in die Stadt gemacht und sind dabei auch auf die Museggmauer gestiegen.
Wann warst du das letzte Mal auf der Mauer?
Ich glaube, das war anlässlich des Sommerfestivals des Kulturhofs Hinter Musegg 2023, als unter anderem ein Turm für eine künstlerische Inszenierung genutzt wurde – das war mega cool!
Was fasziniert dich besonders an der Museggmauer?
Die Museggmauer ist ein öffentliches Bauwerk, das wir – ohne Eintritt zahlen zu müssen – einfach besuchen und dabei eine völlig neue Perspektive auf die Stadt gewinnen können. Wir haben hier einen Rundblick, den man sonst nirgends hat. Ich finde, es ist ein Privileg, ein sechshundert Jahre altes Bauwerk immer noch nutzen zu können.
Welches ist dein Lieblingsturm?
Ich habe keinen Lieblingsturm, aber einen Lieblingsdurchgang:
beim Schirmerturm. Hier führt mein Arbeitsweg durch, und dieser Durchgang hat für mich fast etwas Mystisches. Was erwartet mich, wenn ich durch die Museggmauer hindurch gehe? Stadtplanerisch ist dieser Durchgang bedeutsam, denn er hat von jeher die gebaute Altstadt und das landwirtschaftliche Umland miteinander verbunden – und konnte im Notfall geschlossen werden.
Im 19. Jahrhundert wurden auch in Luzern viele Türme niedergerissen, um die Stadtentwicklung an die neuen Zeiten anzupassen. Wäre es schlimm, wenn sie damals nicht nur einige Tore, sondern auch die Mauer samt den Türmen geschleift hätten?
Das wäre ein unerhörter Verlust. Luzern ohne Mauer geht gar nicht. Die Museggmauer mit den neun Türmen ist ein starkes Stück Geschichte und sie schafft eine eigene städtische Identität. Heute, wo städtebaulich viele Bauten beliebig und auswechselbar sind, ist sie ein aussergewöhnliches Erkennungsmerkmal der Stadt Luzern.
Die Stadt Luzern hat dies nicht immer erkannt und die Mauer im letzten Jahrhundert eher vernachlässigt. Hat sie damals die Bedeutung unterschätzt?
Das kann sein. Mit zeitlicher Distanz wird einem oft
erst bewusst, welche baukulturelle Bedeutung solchen
geschichtsträchtigen Bauten zukommen kann.
Ist die Museggmauer heute vor allem eine Attraktion für die Touristen?
Nein, das glaube ich nicht. Natürlich ist sie ein Anziehungspunkt für die Touristen. Aber ich bin überzeugt, dass die Einheimischen dieses Luzerner Wahrzeichen durchaus zu schätzen wissen. Vermutlich ist sie für die Stadtbevölkerung, im Gegensatz zu den Touristen, wichtiger als die Kapellbrücke. Wer in Luzern lebt, geht sicher einmal auf die Mauer.
Wenn du als Stadtplanerin den Blick von der Mauer auf die Stadt wirfst: Was siehst du?
Stadt, See, Berge! Ich finde es unglaublich, wie die Landschaft aus diesem Blickwinkel zu einer grandiosen Einheit verschmolzen ist. Das eine geht ins andere über. Dieser Blick von oben herab vermittelt eine unglaubliche Stille und Ruhe. Das Schiff, das dort vorne beim KKL angelegt hat, ist wie mit der Stadt verwoben.
Und was stört dich, wenn dein Blick über die Stadt streift?
Am Abend die grossen Leuchtreklamen, die das Stadtbild beeinträchtigen. Und wenn wir jetzt auf dem Männliturm stünden, würde mich der Blick auf die Autobahn und den Kasernenplatz stören. Das ist ein Unort. Doch diese städtebauliche Fehlentwicklung ist nicht so schnell gutzumachen.
Deborah Arnold (40) ist in Gunzwil, heute Gemeinde Beromünster, aufgewachsen. Nach der Matura an der Kantonsschule Beromünster studierte sie in Basel Geowissenschaft. Anschliessend arbeitete sie in einem privaten Planungsbüro in Luzern, bevor sie ab 2011 bei der Stadt Luzern tätig war. Zuerst bei der Stadtentwicklung, seit 2015 als Leiterin der Stadtplanung, davon vier Jahre in einer Co-Leitung. Deborah Arnold wohnt mit ihrer Familie (zwei schulpflichtige Kinder) im Bramberg-Quartier. Seit diesem Jahr vertritt sie die Stadt Luzern im Stiftungsrat der Stiftung Kultur- und Lebensraum Musegg.
Dieses Interview erschien in der Museggmauer Zytig. Sie erscheint jährlich und wird in gedruckter Form den Mitgliedern verteilt. Sie kann auch online nachgelesen werden: